Intensive Aus- und Weiterbildung,
Fundament einer erfolgreichen Organisation

Seit Einrichtung der Luftrettungsstaffel Bayern e.V. zählen die Aktivitäten zur Aus- und Weiterbildung des eigenen und zugewiesenen Personals zu den Hauptaufgaben der Staffel. Fanden die ersten Lehrgänge im Auftrag des Staatsministerium des Innern noch sehr sporadisch statt und hatten einen ersten Schwerpunkt in der Intensiv-Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1972 in München, so hat sich dies bis zum heutigen Tag grundlegend geändert. In nunmehr über zwanzig Grundausbildungs- und neun zentralen Fortbildungslehrgängen an der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg wurde eine Mannschaft von engagierten, kompetenten und einsatzfähigen Luftbeobachtern ausgebildet, die den gestellten Aufgaben gerecht werden kann. In vielen örtlichen Übungen in Zusammenarbeit mit den verschiedensten Katastrophenschutz-Dienststellen und in staffelinternen Lehrgängen liegen weiter Gründe, warum die Luftrettungsstaffel Bayern, zusammen mit ihren Luftbeobachtern aus den verschiedensten Behörden eine stets einsatzbereite und effektive Mannschaft stellen kann. Bei vielen Schadensereignissen in der Vergangenheit, vom Waldbrand bis zum Windbruch von der vorbeugenden Waldbrandüberwachung bis zum Gewässer- und Umweltschutz, von der Schadensdokumentation bis hin zur Lawinenkontrolle, konnte die Staffel alle Herausforderungen erfolgreich bestehen.
Ohne die gründliche und umfassende Schulung des eingesetzten Personals wäre und ist dies nicht möglich.

Schulungen der eigenen Führungskräfte
  • In der Schulung eigener Nachwuchs- und Führungskräfte greift die Staffel seit ihrem Bestehen auf den großen Erfahrungsschatz ihres eigenen Personals zurück. Da viele ihrer Flugbereitschaftsleiter und Piloten auf entsprechende dienstliche Erfahrungen zurückgreifen können, sich darüber hinaus auch fliegerisch qualifiziert haben, wird so das Grundpotential für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen aus den eigenen Reihen gedeckt. Durch die Unterstützung des Innenministeriums werden in regelmäßigen Abständen zentrale Lehrgänge für Stützpunktleiter und Ausbildungspersonal an der Staatlichen Feuerwehrschule Geretsried abgehalten. So fand im Jahr 2019 bereits der 22. Lehrgang erfolgreich statt.
    Neben der Erfüllung der satzungsmäßig vorgeschriebenen Aufgaben, Einblicke in die Strukturen der Staffel, des behördlichen Katastrophenschutzes, weiterer Hilfsorganisationen und in die Tätigkeitsgebiete der Staffel, erfährt die Schulung der Mitarbeiter eine Ausweitung durch gezielte Einbeziehung weiterer kompetenter Fachreferenten aus bayerischen Ministerien, den Luftämtern, der Deutschen Flugsicherung, der Staatlichen Feuerwehrschulen, des Deutschen Wetterdienstes und weiterer Katastrophenschutzorganisationen. Darüber hinaus kommen Fachvertreter des Natur- und Landschaftsschutzes, des Forstes und der Forstdirektionen, der Wasserwirtschaftsämter und nicht zuletzt auch Juristen und Psychologen als Lehrpersonal zum Einsatz. So geschult und mit den notwendigen Kompetenzen versehen, kann das Ausbildungs- und Führungspersonal der Staffel überzeugend deren Ziele und Aufgaben verwirklichen.
  • Die Katastrophenschutzbehörden sowie alle mitwirkenden Dienste und Organisationen können sicher sein, in der Luftrettungsstaffel Bayern einen einsatzbereiten, in allen Ebenen gut geführten Partner, zu besitzen.

Ausbildung von Flugbeobachtern

Vorausschauend und aus Erfahrung in anderen Ländern lernend, erkannte man in Bayern sehr früh, dass bei großflächigen Katastrophen und Unglücksfällen wirksame Hilfe nur dann geleistet werden kann, wenn das Schadensausmaß in seinem vollen Umfang möglichst frühzeitig erkannt wird. Sehr bald gelangte man zur Einsicht, dass dies mit am besten durch Beobachtung aus der Luft, entsprechendes Fachpersonal vorausgesetzt, erfolgen könnte.
Aus diesem Grunde wurden in enger Zusammenarbeit mit der Polizei, dem Katastrophenschutz und den Feuerwehren einwöchige Lehrgänge für zukünftige Beobachtungskräfte durchgeführt. Zielvorgaben des Ministeriums, gewonnene Erfahrungen aus den ersten Lehrgängen, Erkenntnisse aus Waldbrand- und Gewässerschäden, ließen ein Ausbildungskonzept entstehen, das auch technische und gesetzliche Neuerung mit einbezieht, und als äußerst erfolgreich und effizient eingestuft werden kann:

Ausbildungsstufe 1: Zentrale Grundausbildung
  • Nach Bedarf der jeweiligen Bezirksregierungen für Luftbeobachter schreibt die Staatliche Feuerwehrschule Würzburg fünftägige Grundausbildungslehrgänge im Auftrag des Innenministeriums aus. Angehörige der Katastrophenschutzbehörden, der Freiwilligen Feuerwehren, der Berufsfeuerwehren sowie der Forstbehörden und Landratsämter und des Technischen Hilfswerkes können sich für diesen einwöchigen Lehrgang nach Würzburg bewerben.
    Da für alle Teilnehmer, unabhängig von ihren dienstlichen Herkunft eine Wissensbasis herbeigeführt werden soll, werden sie bei diesem Lehrgang nicht nur mit der Organisation des Katastrophenschutzes im Freistaat Bayern und den entsprechenden Rechtsgrundlagen vertraut gemacht, sondern müssen sich darüber hinaus auch mit der Sprechfunkausbildung für den BOS-Funk und dessen technischen Gegebenheiten auseinandersetzen und in Theorie und Praxis für die entsprechende schriftliche und praktische Prüfungen vorbereitet werden. Während man auf dem Gebiet des Funks bei vielen Teilnehmern noch auf vorhandenes Grundwissen zurückgreifen kann, betreten sie mit der Fliegerei und dem Einsatzort Flugzeug in der Regel Neuland.

  • Schon aus Unfallverhütungsgründen ist es daher zwingend erforderlich, sie mit den Besonderheiten des Verhaltens auf dem Flugplatz und in den Luftfahrzeugen (Flächenflugzeugen und Hubschrauber) vertraut zu machen. Nicht nur zur Beseitigung der Flugangst, sondern auch um Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzgerätes Flugzeug kennen zu lernen, stehen die physikalischen Voraussetzungen des Fliegers ebenso auf dem Lehrplan, wie das Kennenlernen wichtiger Flugzeuginstrumente, deren richtige Interpretation Auswirkung auf die Navigation und, luftrechtlich bedingt, auch auf den Flugweg haben können. Ein Vertreter des Luftamtes führt die angehenden Luftbeobachter in die Struktur der Lufträume ein, und es bleibt ihnen nicht erspart, in Fach Meteorologie neben der Einschätzung gefährlicher Wetterlagen auch den Zusammenhang zwischen den meteorologischen Voraussetzungen und der Benützung bestimmter Lufträume zu erarbeiten. Nur so ist der Luftbeobachter in der Lage, wetterbedingte Erscheinungen und deren Einflüsse auf die Routenführung eines Beobachtungs- oder Einsatzfluges, zusammen mit dem Piloten, zu diskutieren und sach- und situationsgerecht zu entscheiden.
    Feuerwehrtaktische Zeichen und deren Anwendung in der Praxis, das Kennenlernen von Waldbrandarten und Möglichkeiten der effektiven Waldbrandbekämpfung sowie der gezielte Einsatz von Löschwasseraußenlastbehälter gehören ebenso zum Unterrichtsstoff, wie das Wissen über die Bezeichnung von Löschfahrzeugen und deren Ausrüstung.
    Auf dem Flugplatz des Stützpunktes Hettstadt wird dann der praktische Teil des Lehrgangs abgewickelt, bei dem jeder Luftbeobachter in mehreren Flügen an die Arbeit in Flächenflugzeugen der Luftrettungsstaffel und in Hubschraubern der Polizeihubschrauberstaffel herangeführt wird.
    Navigationsarbeit mit verschiedenen Karten, Erkennen und Auswerten von Schadensstellen, Festlegen und Übermitteln von Koordinatenangaben, Dokumentation von Schadensereignissen mit der Digitalkamera und die sachgerechte Übermittlung aller Daten über BOS-Funk erfordern höchste Konzentration und vollen Einsatz aller Lehrgangsteilnehmer.
    Mit einer theoretischen und praktischen Abschlussprüfung endet dieser Grundlehrgang und entlässt seine Teilnehmer mit einem Basiskönnen, das sie für die Lösung neuer schwierigerer Aufgaben, allerdings in heimatlichem Gebiet, befähigt.
Ausbildungsstufe 2: Dezentrale Weiterbildung
  • Gerüstet mit dem Wisssen und Können der Ausbildungsstaufe 1 gilt es jetzt, den Luftbeobachter mit den geographischen Gegebenheiten seines Einsatzgebietes, mit den regionalen Luftraumstrukturen und nicht zuletzt mit den Einsatzpiloten seines Stützpunktes und dessen Einrichtungen vertraut zu machen. In jährlichen Übungen, im Wechsel zwischen den einzelnen Stützpunkten eines Regierungsbezirks oder zentral zusammengefasst, werden die Luftbeobachter zielgerichtet, einsatznah weitergebildet. Neu ausgebildeten Luftbeobachtern wird die Gelegenheit gegeben, von den Erfahrungen ihrer einsatzerfahrenen Kameradinnen und Kameraden zu profitieren, erworbene Kentnisse und Fertigkeiten aufzufrischen und Praxiserfahrung zu sammeln.
    Wechselnde Schwerpunktsetzung z. B. führen von Fahrzeugen aus der Luft in unübersichtlichen Waldgebieten mit und ohne Funk, intensiver Umgang mit der UTM-Gitternetzkarte 1:50 000, erkunden von Schadensereignissen und entsprechende Dokumentierung, Erprobung vorgegebener Flugrouten für die vorbeugende Waldbrandüberwachung, vertiefen das Können von Beobachter und Piloten.
    Die ständige Schulung auf den Lehrgängen der Luftrettungsstaffel an der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg und der breite Erfahrungsaustausch der Stützpunktleiter und des Ausbildungspersonals, die zusammen mit den Flugbereitschaftsleitern für diese Übungen zuständig sind, gewährleisten die bayernweite Einheitlichkeit und das Anspruchsniveau dieser Ausbildungsstufe.

Ausbildungsstufe 3: Zentraler Aufbaulehrgang
  • Ausgestattet mit den Erfahrungen des Einsatzes, der Aus- und Weiterbildung, werden die Luftbeobachter nach ca. fünf Jahren wieder zu einem zentralen Aufbaulehrgang an der Staatliche Feuerwehrschule Würzburg einberufen.
    Bei diesem Lehrgang spielt die Auffrischung von theoretischem Grundwissen selbstverständlich eine wichtige Rolle, doch der Schwerpunkt ist auf das Vermitteln neuer Erkenntnisse in Bezug auf den Einsatz im Katastrophenfall abgestimmt. Um beiden Ansprüchen gerecht zu werden, musste der ehemals viertägige Lehrgang auf einen Wochenlehrgang erweitert werden. Der Einfluss neuer Technologien auf Kartenarbeit und Navigation (GPS), sowie der Einsatz rechnergestützter Datenübermittlungssysteme finden Eingang in die Aufgaben der Praxis.
    Dementsprechend breit sind die zu lösenden praktischen Aufgaben gefasst. Bei vier Flügen muss jeder Teilnehmer sein Können ernstfallnah beweisen:
    Während eines Fluges zur vorbeugenden Waldbrandüberwachung entdeckt der Flugbeobachter einen „Waldbrand“ in einem geschlossenen Waldgebiet, von dem er der Einsatzleitung über Funk unverzüglich alle wesentlichen Schadensdaten übermitteln muss. Es ist wichtig, dass die Einsatzleitung einen genauen Bericht über Lage, Ausdehnung, Zugrichtung und Intensität des Feuers, sowie den Gefährdungsgrad vom Baumbestand her, erhält.

  • Da sich in der Nähe des Schadensgebietes erst eine örtliche Einsatzleitung bildet, mit der noch kein Funkkontakt möglich ist, muss der Luftbeobachter die Digitalaufnahme vom Schadensereignis und eine entsprechende Meldeskizze, auf der auch die erkundeten Wasserentnahmestellen eingezeichnet sind, in einem entsprechenden Abwurfbehälter der Einsatzleitung „übermitteln“. Anschließend muss er per Funk die alarmierten Feuerwehren zum Brandort lotsen. Das Eintreffen dort bestätigt die korrekte Erfüllung des Auftrags. Während sich die zweite Aufgabe ebenfalls mit der Materie Waldbrand in ähnlicher Variation beschäftigt, wird bei der dritten Aufgabe angenommen, dass es zu einem Gewässerschadensfall gekommen ist. Das Main-Hochwasser hat Menschen und Verkehrseinrichtungen gefährdet; darüberhinaus sind aufgrund aufschwimmender Öltanks erhebliche Ölschäden aufgetreten, die es zu orten und zu melden gilt. Die vierte Aufgabe beinhaltet den Hubschrauber in seiner ganzen Verwendungsbreite.
    Neben zu lösenden Navigationsproblemen muss der Luftbeobachter Wasserentnahmestellen für Außenlastbehälter erkunden, mögliche Wasserzwischenlager situationsgerecht einrichten lassen und nötigenfalls auf der Bord-Bord-Frequenz den Hubschrauber mittels eines Flächenflugzeuges zu den jeweiligen Einsatzstellen lotsen.

    Für die nicht im Einsatz befindlichen Flugbeobachter gibt es bei auch dieser Fortbildung keine Zwischenpause. Sie sind auf dem Flugplatz Hettstadt mit dem Aufbau und der Führung der zentralen Einsatzleitung beschäftigt. Dazu gehört die Aufzeichnung des gesamten Funkverkehrs, die Führung einer Lagekarte, sowie die Ausarbeitung und Übermittlung entsprechender Einsatzauftäge. Wichtig ist auch die Koordination zwischen der Einsatzleitung und der Flugleitung für die eingesetzten Flugzeuge.
    Eine Überprüfung des dreistufigen Ausbildungskonzepts durch das Innenministerium und die Bezirksregierungen hat die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges eindrucksvoll bestätigt. Die Luftrettungsstaffel Bayern e.V. konnte aufgrund der Teamarbeit mit den Luftbeobachtern in der Vergangenheit große Erfolge erzielen und wurde so zu einer schlagkräftigen, einsatzbereiten Katastrophenschutz-Organisation, die es in keinem anderen Bundesland in ähnlich effektiver Form gibt. Der besondere Dank der Staffel sei an dieser Stelle den Staatlichen Feuerwehrschulen Geretsried und Würzburg für die hervorragende und erfolgreiche Zusammenarbeit ausgesprochen.