Rede des
Bayerischen Staatsministers des Innern, Dr. Günther Beckstein,
anlässlich des Staatsempfangs zum
35-jährigen Bestehen der Luftrettungsstaffel Bayern e.V.
am 4. Juli 2003 in Nürnberg

  • Die Luftrettungsstaffel Bayern e.V. feiert heuer ihr 35-jähriges Bestehen. Die bayerischen Katastrophenschutzbehörden können damit bereits dreieinhalb Jahrzehnte eine Einrichtung nutzen, die in dieser Form in der Bundesrepublik Deutschland beispielhaft ist. Sie können flächendeckend bei Bedarf jederzeit zum Selbstkostenpreis über Luftfahrzeuge verfügen, ohne selbst Luftfahrzeuge vorhalten zu müssen.

    Mag das 35-jährige Bestehen für manche vielleicht ein „unrundes“ Jubiläum sein – ich habe jedenfalls keinen Moment gezögert, diesen Staatsempfang auf Grund der außerordentlichen Verdienste der Luftrettungsstaffel um die Sicherheit unserer Bürger und die Natur im Freistaat Bayern vorzuschlagen. Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber hat mir diesen Wunsch auch sehr gerne erfüllt.

    Die letzten 35 Jahre haben gezeigt, dass die Luftrettungsstaffel aus der Katastrophenschutzplanung und dem Katastrophenschutzeinsatz in Bayern nicht mehr wegzudenken ist. Völlig verdient wurde die Luftrettungsstaffel zusammen mit den Feuerwehren für ihre Leistungen bereits 1990 mit der Umweltmedaille des Freistaates Bayern ausgezeichnet!

    Blicken wir kurz zurück auf die Entstehungsgeschichte: Die Luftrettungsstaffel Bayern wurde am 20. Juli 1968 mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern auf dem Flugplatz München-Neubiberg in Dienst gestellt. Erklärtes Ziel war es, großflächige Katastrophen- und Unglücksfälle wie Waldbrände und Hochwasser zu bekämpfen und zu verhindern. Ursprünglich war daran gedacht, auch Luftrettungsmaßnahmen durch die Staffel durchführen zu lassen. Zum damaligen Zeitpunkt waren nämlich weder Polizei noch Rettungsdienst flächendeckend mit Hubschraubern ausgerüstet. Der Name erinnert noch heute an diese Planung.
    Im Gründungsjahr 1968 bestand die Luftrettungsstaffel Bayern aus 69 Piloten mit 33 Flugzeugen, die auf 11 Flugplätzen stationiert waren.

    Seit 1973 ist die Staffel fester Bestandteil der Katastrophenschutzplanung des Freistaates Bayern. Wir können also neben dem 35-jährigen Bestehen der Luftrettungsstaffel auch 30 Jahre Luftrettungsstaffel als Bestandteil der Katastrophenschutzplanung des Freistaates feiern!
    Heute umfasst die Luftrettungsstaffel rund 330 ehrenamtlich tätige Pilotinnen und Piloten mit 159 Flächenflugzeugen und 9 Hubschraubern, die auf über 30 Flugplätzen (Stützpunkten) flächendeckend in ganz Bayern verteilt sind.

    Bereits kurz nach der Gründung der Luftrettungsstaffel 1968 begann man mit der Ausbildung von Luftbeobachtern. Der erste Lehrgang fand im Oktober 1968 auf dem Flugplatz München-Neubiberg statt. Seither werden mit finanzieller Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern jährlich Angehörige des Katastrophenschutzes, der Feuerwehren, der Staatlichen Forstverwaltung und der Polizei in einwöchigen zentralen Lehrgängen zu Luftbeobachtern ausgebildet.
    Dabei werden alle erforderlichen Kenntnisse vermittelt, um aus der Luft

    Schadensereignisse erkennen und örtlich bestimmen,
    Einsatzkräfte führen und
    über Sprechfunk mit den Einsatzstellen am Boden Kontakt halten

    zu können.

    Ich halte es für wünschenswert, dass für alle Einsätze der Luftrettungsstaffel Luftbeobachter zur Verfügung stehen. Wir müssen daher auch die „Nachwuchswerbung“ für die Luftbeobachter dringend intensivieren!
    Entscheidend ist daneben eine adäquate Aus- und Fortbildung. Die amtliche Vorgabe, dass jeder Luftbeobachter jährlich zwei Stunden „in der Luft“ gewesen sein sollte, halte ich dabei für die absolute Untergrenze.

    Die Waldbrandkatastrophe in Niedersachsen hatte 1976 in erschreckendem Maße gezeigt, wie ohnmächtig der Mensch teilweise den Naturgewalten gegenübersteht. Katastrophenschutz und Feuerwehren mussten hilflos zusehen, wie 8.000 Hektar Wald und 50.000 Hektar Heide und Fluren abbrannten. Das öffentliche Leben war größtenteils lahmgelegt.
    Die Luftrettungsstaffel Bayern sorgte dabei auf Anordnung des Staatsministeriums des Innern täglich mit bis zu 14 Flugzeugen für vorbeugende Brandüberwachung.
    Durch die rechtzeitige Entdeckung aus der Luft konnten die meisten der georteten 191 Brände bereits im Entstehungsstadium durch das tatkräftige und entschlossene Eingreifen der örtlichen Feuerwehren und Hilfsorganisationen gelöscht werden.
    Auch der größte Waldbrand in Bayern, der sich unter ungünstigsten Bedingungen 1976 in der Oberpfalz ereignete, war nach wenigen Stunden unter Kontrolle.

    Spätestens in jenem Sommer wurde allen Beteiligten die Bedeutung der Luftrettungsstaffel klar. Seither konnten mit ihrer Hilfe unermessliche Schäden von den bayerischen Wäldern und der Natur insgesamt abgewendet werden.

    Die bisherigen Leistungen der Luftrettungsstaffel sprechen für sich. Seit der Gründung waren die Flugzeuge der Luftrettungsstaffel Bayern rund 36 Millionen Kilometer über Bayern unterwegs; dies entspricht in etwa 900 Umkreisungen der Erde oder fast 500 Flügen zum Mond.
    Die bayerischen Luftbeobachter und Piloten haben dabei

    über 550 Wald- und Flächenbrände entdeckt und weitergemeldet,
    nahezu 550 Angehörige von Feuerwehr, Forstverwaltung und Katastrophenschutz zu Luftbeobachtern ausgebildet und
    über 70 Fälle grober Umweltverschmutzung erkannt und weitergemeldet.

    Gerade heuer bei den besonderes lange andauernden Trockenzeiten im Frühjahr hat sich der Einsatz der Luftrettungsstaffel extrem bewährt. Im Auftrag der Katastrophenschutzbehörden war die Luftrettungsstaffel heuer bereits über 500 Einsatzstunden in der Luft; die freiwilligen, unbezahlten Überwachungsflüge gehen dabei in die Tausende. Hunderte von Feuerstellen konnten dabei entdeckt, geortet und kontrolliert, Wald-, Flächen- und Kfz.Brände, sowie Verkehrsunfälle gemeldet, Wasserverschmutzungen entdeckt und der Borkenkäferbefall festgestellt werden. Die Luftrettungsstaffel hat dabei eindeutig bewiesen, dass sie auch diesen extremen Anforderungen ohne weiteres gerecht werden kann.

    Die Zusammenarbeit zwischen den Katastrophenschutzbehörden und der Luftrettungsstaffel geht dank einer sehr guten Organisation schnell und unbürokratisch von statten. Wenn die Katastrophenschutzbehörden auf Grund drohender Waldbrandgefahr Luftbeobachtung anordnen, ist es dank eingespielter Verfahrensabläufe möglich, innerhalb kürzester Zeit großflächig waldbrandgefährdete Gebiete aus der Luft zu beobachten.
    Örtliche Schwerpunkte der Luftbeobachtungsflüge sind generell die Alpen, der Großraum München, der Nürnberger Reichswald, der Spessart, die großen Waldgebiete in Oberfranken und die Kiefernwälder in Niederbayern und der Oberpfalz.


  • Von links: Werner Mühlhäuser, Karl Herrmann jr. Fritz Gerfertz, Bernd Große, Rudi Hinterberger

    Neben der vorbeugenden Waldbrandbeobachtung haben sich im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Betätigungsfelder für die Luftrettungsstaffel Bayern herausgebildet.
    Weitere Aufgaben sind:

    Such- und Rettungseinsätze,
    Verkehrsbeobachtung,
    Luftbildarchäologie,
    Beobachtungen zum Naturschutz, wie z.B. die Forstschadenserkennung, die Feststellung von Schnee- und Waldbrüchen sowie von Hagelschäden,
    die Gewässerüberwachung,
    der Transport wichtiger Medikamente oder
    die Beförderung von Personen, wie z.B. Sachverständiger.

    Auch bei der Führung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr oder der Polizei bei der Waldbrandbekämpfung nimmt die Luftrettungsstaffel eine wichtige Funktion wahr.

    Anerkennenswert ist, dass die Luftrettungsstaffel seit langer Zeit bemüht ist, möglichst kostengünstig zu arbeiten.
    Trotz knapper Haushaltsmittel war das Staatsministerium des Innern immer bemüht, ausreichende staatliche Finanzbeihilfen sicherzustellen und die Luftrettungsstaffel – wenn nur irgendwie möglich – von Einsparungen zu verschonen. Dass trotz zunehmender Sparzwänge zumindest Letzteres gelungen, zeigt mehr als bloße Worte, welch hohen Stellenwert wir der Luftrettungsstaffel einräumen. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres erstattete der Freistaat Bayern über 31.000 Euro an Einsatzkosten für die Luftfahrzeuge bei Waldbrandvorsorge. Darüber hinaus ersetzen wir der Luftrettungsstaffel Bayern die finanziellen Aufwendungen im Katastrophenschutz weitgehend – in den letzten Jahren waren auch dies jeweils 5.000 Euro jährlich.
    Für die Standortausbildung der Luftbeobachter an den Stützpunkten der Staffel werden den Regierungen jedes Jahr entsprechende Mittel zugewiesen, so dass einsatzfähige und erfolgreiche Luftbeobachtungsteams zusammenwachsen können.

    Ich erkenne ausdrücklich das Bestreben der Luftrettungsstaffel an, qualitativ erstklassige Arbeit zu leisten. Ich kenne auch Ihr Anliegen, dass

    Einsatzflugzeuge der Luftrettungsstaffel durch Installation einer zusätzlichen Antenne für den BOS-Funk optimal vorbereitet werden,
    die BOS-Funkgeräte für die Luftbeobachter schnell und sicher erreichbar sind und
    allen Stützpunkten der Staffel Digitalkameras für Luftbilddokumentationen zur Verfügung stehen.

    Zwar kann ich Ihnen auf Grund der schwierigen Haushaltssituation nicht versprechen, dass all diese Wünsche sofort vom Freistaat erfüllt werden. Ich versichere Ihnen aber ausdrücklich, dass jedes dieser Anliegen in meinem Haus eingehend geprüft wird.

    Die Luftrettungsstaffel Bayern ist fester Bestandteil des bayerischen Katastrophenschutzes. Bestandssicherung und Weiterentwicklung liegen daher im ureigensten Interesse unseres Landes. Wirksamer Katastrophenschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Der Staat ist nicht in der Lage, für alle Bereich der öffentlichen Sicherheitsvorsorge selbst Sorge zu tragen. Wirksamer Katastrophenschutz geht deshalb jeden Bürger an.
    Eine besondere Stütze des Katastrophenschutzes sind neben den Feuerwehren und den Sanitätsorganisationen weitere freiwillige Organisationen wie die Luftrettungsstaffel. Der Staat greift diesen wichtigen Institutionen zwar bei der Beschaffung der notwendigen Ausstattung unter die Arme. Die Hauptlast für die Hilfeleistung im Katastrophenschutz liegt jedoch bei ihnen selbst.
    Die immensen Anstrengungen, die hinter einem Hilfeleistungsangebot wie dem der Luftrettungsstaffel stehen, werden von Außenstehenden oft nicht genügend wahrgenommen. Dass dies alles ehrenamtlich geschieht, kann der Luftrettungsstaffel Bayern nicht hoch genug angerechnet werden! Nicht umsonst bezeichnet unser Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber die ehrenamtlich Tätigen stets als „Rückgrat unserer Gesellschaft“! Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Ein jeder von Ihnen leistet mit seiner Qualitätsarbeit einen immens wichtigen Beitrag für die Sicherheit im Freistaat Bayern. Die Luftrettungsstaffel ist ein klassisches Beispiel dafür, dass ehrenamtliches Handeln nicht gleichzusetzen ist mit amateurhaftem Handeln. Ihr Leitmotiv heißt professionelle Arbeit.

    Ich bedanke mich im Namen des Freistaates Bayern beim Präsidenten, Karl Herrmann, beim Präsidium, bei den Flugbereitschaftsleitern, den Stützpunktleitern und allen Einsatzpilotinnen und -piloten der Luftrettungsstaffel Bayern für ihren unermüdlichen Einsatz und ihre großartige Hilfsbereitschaft. Meine besondere Hochachtung und Anerkennung für Ihre hervorragenden Leistungen!

    Im Anschluss an diesen Festakt darf ich Sie recht herzlich zum Staatsempfang in den Rittersaal einladen. Dieser Staatsempfang soll vor allem auch ein äußeres Zeichen für die große Wertschätzung Ihrer Arbeit sein.

    Mit meinem aufrichtigen Dank für Ihr beispielhaftes Engagement in den zurückliegenden 35 Jahren verbinde ich gleichzeitig den Wunsch, dass Sie auch in Zukunft so erfolgreich wie bisher tätig sein mögen. Hals- und Beinbruch und Gottes Segen für die kommenden Jahre und Jahrzehnte!

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