„Adlerauge“ sieht jede Katastrophe

  • HETTSTADT · Die Luftrettungsstaffel Bayern präsentierte bei einer Großübung eindrucksvoll ihren hohen Leistungsstand.

    Text und Bild: Matthias Endriss, in MAIN-POST vom 12.05.2001

    Je höher das blau-weiße Flugzeug in den bleiernen Himmel über Hettstadt (Lkr. Würzburg) aufsteigt, desto absurder klingt die Aufgabe: Das Maintal zwischen Würzburg und Karlstadt ist großräumig überschwemmt. Die Folge schwerer Unwetter und anhaltender Regenfälle. Es gilt, die Hochwasserschäden aus der Luft aufzuklären, eine Lageskizze zu erstellen, einige Polaroids zu schießen und all das schnellst möglich der Einsatzleitung auf dem Hettstadter Flugplatz zukommen zu lassen.
    Ein Blick aus dem Cockpit-Fenster in die hoch stehende Sonne verrät es. Das Hochwasser-Szenario muss man sich denken. Ruhig fließt der Main in seinem Bett. Die einmotorige Cessna von Pilot Heinz Gakenholz zieht mit sonor brummendem Propeller ihre Bahn über dem Fluss. Taktische Zeichen, mit bunten Plastikplanen in die fränkische Flur gezaubert, ersetzen reelle Schäden.
    Eine gelbe Raute mit senkrechtem Strich neben der Staustufe Erlabrunn bedeutet: ein Mensch ist verletzt. Ein rotes Kreuz auf der anderen Mainseite – die Staustufe selbst ist beschädigt. Es ist die der Realität fernste Aufgabe, der sich die Luftbeobachter und Piloten der Luftrettungsstaffel Bayern, Flugbereitschaft Unterfranken, an diesem Tag zu stellen haben.
    „Adlerauge“ – der Name der Großübung ist Programm. Die Männer in den orangefarbenen Overalls gelten als „fliegende Augen“ des Katastrophenschutzes. 24 solcher Luftbeobachter gibt es im Regierungsbezirk. Während der einwöchigen Universalausbildung an der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg werden sie in Navigation, Kartenkunde, Luftrecht und BOS-Funkverkehr – besser bekannt als „Polizeifunk“ – geschult.
    Später starten sie zusammen mit 21 ehrenamtlichen Piloten, allesamt erfahrene Sportflieger, von Stützpunkten in Hettstadt, Bad Kissingen, Mainbullau und Haßfurt zu ihren Aufklärungsflügen. Hinzu kommt das SEF, das Schnelle Einsatzflugzeug, das auf der US Air Base Giebelstadt bereit steht.
    Gründe, um in die Luft zu gehen, gibt es für die Luftbeobachter zuhauf. Karl Herrmann, Leiter der unterfränkischen Flugbereitschaft, zählt einige auf: vermisste Flugzeuge, Verkehrsbeobachtung, Waldbrandgefahr, Hochwasser, Luftbildarchäologie, Forstschädlinge, Umweltschutz. Die Statistik zeigt, dass seine Staffel eifrig zum Spähen aufsteigt. 2033 Flüge wurden absolviert, nur neun waren von der Regierung angeordnet. Dabei meldete Herrmanns Truppe unter anderem einen Waldbrand, drei Flächenbrände und eine Gewässerverschmutzung.

  • Sind die „Adleraugen“ in der Luft, erstellen sie Schadensdokumentationen, sondieren die Lage und lotsen die Einsatzkräfte am Boden zum Ort des Geschehens. Wie die Besatzung der Propellermaschine mit dem Funknamen „Kater Unterfranken 15/2“. Sie soll ein Flugzeug ausfindig machen, das im Spessart abgestürzt ist.
    Das Wrack ist schnell gefunden, die Feuerwehr zum fiktiven Unfallort gelotst. Doch der „Zeremonienmeister“ der Übung, Karl Herrmann jr., hat sich noch ein Schmankerl einfallen lassen. Die Besatzung ist verschwunden. Sein Vater meint dazu: „Hier ist unser Job beendet. Wir können im Wald keine Personen finden“. Kater 15/2 fordert Hilfe an. In Hettstadt startet der Polizeihubschrauber „Edelweiß“, ausgerüstet mit Wärmebildkamera.

    Die Suche ist jedoch nur von einem Teilerfolg gekrönt. Ein Besatzungsmitglied wird gefunden, das andere bleibt in den Spessartwäldern verschollen. Zu geringe Differenzen von Außen- und Körpertemperatur verwirren das hochsensible Ortungsgerät, erklären die fliegenden Polizisten. Karl Herrmann ist trotzdem zufrieden.
    Der inszenierte „Waldbrand“ wurde entdeckt und gelöscht, die Hochwasserschäden ermittelt, ein flüchtiger Lkw gestellt. Zudem lief die Übung unter thermisch „sehr realitätsnahen Bedingungen“ ab. Und das Wichtigste: Alle kamen wieder heil zu Boden. Wen stört es da, dass der Main gar nicht über die Ufer getreten war.Wasser fassen und ab zum Löschen: Der Bundesgrenzschutz-Helikopter „Pirol“ startet bei der Luftbeobachter-Großübung mit einem Außenlastbehälter zur Brandbekämpfung vom Flugplatz Hettstadt.